„Blinde sehen mit den inneren Augen mehr als gesunde mit Adleraugen“
Die Angst vor dem Umgang mit Behinderten kommt meist daher, dass man mit seinen Erwartungen in Situationen kommt, die natürlich mit den Augen eines oder einer Behinderten nicht genauso gesehen werden.
Deshalb sollte man sich vorher sensibilisieren und sich fragen, was in meinem Gegenüber vorgeht und was man sich aus dieser Perspektive erwarten sollte. Es ist gar nicht so viel, wenn man sich einmal vorbehaltlos darüber Gedanken macht.
Der Mensch wird mit einer Vielzahl von Leidquellen und Sorgen konfrontiert, wie es Sigmund Freud in seinem Werk "Das Unbehagen in der Kultur" analysiert hat und damit auch die Situation des Menschen ganz allgemein in Bezug auf seine Empfindung von Glück und Leid beschreibt. Dies betrifft gesunde und behinderte gleichermaßen. Dagegen muss jeder selbst geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. So betrachtet er es (unter Bezugnahme auf Theodor Fontane) als unabdingbar, die menschliche Existenz mit "Lin- derungsmitteln" und "Hilfskonstruktionen" einer fortlaufenden Modifikation zu unterziehen und legt dar, dass die Menschheit zu diesem Zweck verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung hat, zwischen denen gewählt werden kann. Die im Sinne von Freuds psychoanalytischer Gesamtkonzeption als Mittel der Leidabwehr einzustufenden Methoden stellen sich in Form der Konzepte der "mächtigen Ablenkung", der „Ersatzbefriedigung“ und der Intoxikation“ dar und werden in seinen Thesen näher erörtert.
Auf diese Umstände aufbauend, lässt sich der Verdacht erhärten, dass es für den Menschen an sich durchaus nicht einfach ist, ein möglichst leidfreies Leben zu führen und somit eine Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz naheliegt. So scheint es wenig verwunderlich, dass sich die Religionen der Welt seit jeher mit diesem Problem beschäftigt haben. Aber betrachten wir lieber die aktuellen, einfachen und naheliegenden Ansichten Betroffener.
Aus meinen Gesprächen mit vielen Behinderten habe ich deren Erwartungen mit ihnen besprochen, wie sie es gerne hätten, dass man mit ihnen umgehen sollte und dabei interessante Antworten erhalten.
Ein Satz ist mir dabei sinngemäß in ähnlicher Form immer wieder begegnet:
„Schließt eure Augen und versetzt euch in meinen Zustand und überlegt mal wie ihr gerne behandelt werden wollt und was ihr dann empfindet und fühlt“.
Jeder Zehnte in Deutschland lebende Mensch hat eine Schwerbehinderung, weshalb es schwer nachvollziehbar ist, dass sich Leute in ihrer Nähe häufig so unsicher fühlen, wie ein Primaner vor dem ersten Schultag. Um euch diese Unsicherheiten zu nehmen und Menschen mit Behinderung weitere Missverständnisse zu ersparen, fragen wir doch einfach einige von ihnen, um ihre Tipps im alltäglichen Umgang zu erfahren.