Behinderung ist keine Krankheit
„Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit.
Ludwig Börne (1786–1837),
Eine Behinderung ist keine Krankheit, wenngleich auch Behinderte krank werden können. Das differenzierende Merkmal einer Krankheit ist die Heilungsmöglichkeit. Des- halb können auch Behinderte krank und somit krankgeschrieben werden und eine Blindarmentzündung, Grippe oder Darmkrebs bekommen.
Andererseits kann man mit einer Krankheit auch sehr eingeschränkt sein, ohne behindert zu sein. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn nach einem Beinbruch der Fuß im Gips eingeschalt ist und man sich zwangsläufig nur mit Krücken fortbewegen kann.
EuGH urteilt zur Abgrenzung von Behinderung und Krankheit
EuGH, Urt. v. 11.04.2013 – C-335/11, C-337/11
Eine heilbare oder unheilbare Krankheit, die eine physische, geistige oder psychische Einschränkung mit sich bringt, kann einer Behinderung gleichzustellen sein. Die Verkürzung der Arbeitszeit kann als eine Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden, die ein Arbeitgeber ergreifen muss, damit Menschen mit Behinderung arbeiten können.
In seinem Urteil hat der Gerichtshof zunächst klargestellt, dass der Begriff "Behinderung" dahin auszulegen ist, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist. Der Gerichtshof führt aus, dass der Begriff "Behinderung", anders als die Arbeitgeber in diesen beiden Rechtssachen geltend machen, nicht unbedingt den vollständigen Ausschluss von der Arbeit oder vom Berufsleben impliziert. Ferner hängt die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung nicht von der Art der zu treffenden Vorkehrungsmaßnahmen, wie z. B. der Verwendung besonderer Hilfsmittel, ab. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob bei den Arbeitnehmerinnen im vorliegenden Fall Behinderungen vorlagen.
Man hat die unzähligen Erscheinungen von Behinderungen nach ihren Arten von Einschränkungen eingeordnet, die das Denk-, Lern-, Sprach-, Verhaltens- oder Wahrnehmungsvermögen beeinträchtigen. Die offizielle und rechtsgültige Definition für Deutschland liefert § 2 Absatz 1 des Neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX), worin Menschen als behindert gelten, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Auf welche Leistungen die Betroffenen ab welchem Grad der Behinderung in diesem Fall Anspruch haben, regelt ebenfalls das Neunte Sozialgesetzbuch
Die Arten von Behinderungen lassen sich in folgende Gruppen einteilen:
● Körperliche Behinderungen, z. B. motorische Einschränkungen, Beeinträchtigungen der Seh-, Hör- und Sprachfähigkeit, chronische Krankheiten
● Geistige Behinderungen, z. B. Lernbehinderungen, gestörte kognitive Fähigkeiten, stark unterdurchschnittliche Intelligenz
● Seelische Behinderungen, z. B. Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Suchtkrankheiten, Psychosen
Sowohl die Schwere von Behinderungen als auch deren Ursachen sind völlig unterschiedlich. Einige bestehen von Geburt an, andere werden erst durch einen Unfall oder eine Krankheit im Laufe des Lebens „erworben“. Gerade im hohen Lebensalter kommen viele Faktoren zusammen, die den Betroffenen auf mehrfache Art und Weise einschränken können. Ein abschreckendes Beispiel ist das von Michael Schumacher, dem erfolgreichsten Formel-1-Piloten, der in seinen Rennen Kopf und Kragen riskiert hat, wobei nie schwere Unfälle geschahen. Im Dezember 2013 zog er sich bei einem Skiunfall schwerste Kopfverletzungen zu und befindet sich seither in medizinischer Rehabilitation. Niemand kann sich daher sicher sein, wann und ob ihn ein solch schweres Schicksal trifft. Zu den unterstützenden Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen gehören entsprechende Therapien, medizinische Behandlungen und die Pflege und Betreuung von Behinderten, die nicht mehr alleine zurechtkommen. Dabei besteht in den verschiedenen Therapien meist nur der bescheidene Anspruch den augenblicklichen Zustand zu erhalten und einer Verschlechterung vorzubeugen.
Der Unterschied zwischen Behinderung und Schwerbehinderung besteht nach dem Sozialgesetzbuch IX darin, dass man behindert ist, wenn man einen GdB von 20, 30 oder 40 hat (§ 69 Abs. 1 SGB IX).